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Hochwasser

Resolution der Stadt Bleckede "Hochwasserschutz und Naturschutz - warum nicht gemeinsam?"

In seiner Sitzung am 14. März 2024 verabschiedete der Rat der Stadt Bleckede einstimmig die folgende

Resolution "Hochwasserschutz und Naturschutz - warum nicht gemeinsam?"

„Entscheidungen setzen Konflikte voraus, die entschieden werden müssen“ (Ludwig Erhard)

Die Elbe ist der viertgrößte Strom in Mitteleuropa und entwässert einen Großteil Ostdeutschlands sowie Tschechiens. Mit einer Länge von 1.094 km hat dieser Fluss eine beachtliche Länge und stellt den Status einer Bundeswasserstraße dar.

Besonders relevant für dieses Papier ist die Betrachtung der unteren Mittelelbe zwischen Schnackenburg und Geesthacht. Die regionalen Akteure, bestehend aus Deich- und Unterhaltungsverbänden und Kommunen, sind stetig an dem Thema Hochwasserschutz dran und fordern zu konkreten Handlungen auf, um Maßnahmen durchzuführen, die gefährliche Hochwasserereignisse einerseits minimieren, andererseits aber auch durch Bauwerke der Region Schutz bieten. Dabei ist zu konstatieren:

Der Hochwasserschutz kommt nicht voran, er lahmt – es passiert zu wenig!

Zu betrachten ist dabei das Winterhochwasser 2023/ 2024, welches in seiner Ausprägung als mittleres Hochwasser eingestuft wurde. Bereits bei diesem Hochwasser, welches dem Grunde nach regelmäßig jährlich erwartbar sein kann, haben sich deutliche Mängel und Versäumnisse gezeigt, die angepasst werden müssen. Dabei ist festzustellen, dass die daraus ableitenden Maßnahmen sehr differenziert zu sehen sind und keinesfalls ausschließlich auf den aktiven Hochwasserschutz (also Deichbau) bezogen sind.

In der Einordnung dieses Hochwassers gibt es planmäßig erwartbare Entwicklungen und nicht planmäßige Ereignisse. Diese teilen sich wie folgt auf:
> In vielen Gebieten treten großflächige Überflutungen auf Wiesen und Grünlandflächen auf, da diese teilweise außendeichs liegen bzw. die Binnenentwässerung durch langanhaltende Wasserstände und Sperrhindernisse in den Entwässerungsgräben, z. B.durch Biberdämme, nicht ausreichend Abfluss erzielen kann.
Feststellung: Diese Situation ist als planmäßig erwartbar einzuschätzen.

> Aufgeweichte Deiche, die durch langanhaltende Niederschläge belastet sind, aber noch nicht durch anstehendes Hochwasser überströmt sind. Binnenseitiger Einstau von Oberflächenwasser, welches rückseitig den Deichfuß „angreift“. Hierzu ist zu erwähnen, dass ein bestimmter Wasserstand in den deichrückseitigen Gräben sinnvoll ist, da er einen Gegendruck produziert. Gleichwohl dürfen diese Wasserstände ein bestimmtes Maß nicht überschreiten, um den Deich nicht zusätzlich aufzuweichen.
Feststellung: Diese Situation ist als nicht planmäßiges Ereignis einzuschätzen.

> Teilweise Aussetzung der Binnenschifffahrt bzw. Fährüberfahrten, die bereits bei diesen Wasserständen zu verzeichnen waren. Bedingt durch ein erhebliches Aufkommen von Treibgut, ist eine risikofreie Nutzung als Bundeswasserstraße teilweise nicht möglich oder nur mit Einschränkungen möglich.
Feststellung: Diese Situation ist als nicht planbares Ereignis einzuschätzen.

> Qualmwasserbildungen, die binnenseitige Wassereinträge in Gebäude- und Freiflächen produziert haben.
Feststellung: Diese Situation ist als planmäßig erwartbar einzuschätzen.

> Binnenseitige Wassersituation; der Wasserabfluss in der Region ist gefährdet und führt zu langanhaltenden Wasserständen, die eine Gefahr für die Deichsicherheit hervorrufen und weitere Flächen, die sonst nicht überflutet werden (sollen) in Mitleidenschaft ziehen
Feststellung: Diese Situation ist als nicht planbares Ereignis einzuschätzen.

Diese Differenzierung der Ereignisse ist notwendig, um weitere Handlungsschritte und notwendige Konsequenzen abzuleiten. Es bedarf einer strukturierten Ereignisanalyse um mögliche und nötige Gegenmaßnahmen klar zu identifizieren.

Nicht für alles, was als Ergebnis bzw. als Wirkung mit diesem Hochwasserereignis in Zusammenhang steht, ist mit den Folgen des Klimawandels begründbar. Es ist jedoch durch Fachexperten der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA) davon auszugehen, dass derartige Hochwasserereignisse häufiger und extremer ausfallen können.

Dabei bedarf es Handlungen in unterschiedlichen Bereichen:
> Passiver Hochwasserschutz
= Deichunterhaltungen, Rückhaltungen und Räume schaffen (z. B. bei Radegast, Vitico), Flussbett- und Auenunterhaltung (durch Umsetzung des Auenstrukturplans), Ausstattung und Strukturierung der Hilfskräfte und örtlichen Gefahrenabwehrbehörden

> Aktiver Hochwasserschutz
= Deichneubau oder Deichertüchtigungen, Spundwände

> Finanzierung und Bürokratie
= Stetige Bereitstellung von ausreichend Finanzmitteln sowie Abbau der bürokratischen Hürden z. B. bei Abwicklung und Umgang mit Fördermitteln und Genehmigungsverfahren mit Blick auf den Bevölkerungsschutz.

Hervorzuheben ist, dass bei derartigen Maßnahmen und notwendigen Planungen eine Vielzahl von Behörden und Träger öffentlicher Belange zu beteiligen sind. Dieses ist mitunter herausfordernd, weil sich lange Prozesse anschließen und Kompromisslinien zu diesem Thema schwierig sind.

Gleichzeitig wird deutlich, dass der Zielkonflikt     Hochwasserschutz vs Naturschutz
ein offensichtliches Problem darstellt und aller Bekundung zum Trotz – diese Situation auflösen zu wollen – dieses aktuell nicht gelingt.

Unstrittig ist, dass die Landschaft unmittelbar an der Elbe nicht nur für den Schutz von Lebensraumtypen und Arten der FFH-Richtlinie wichtig ist, sondern auch für die Vogelwelt gemäß der EU-Vogelschutzrichtlinie von Bedeutung ist. Hinzu kommt, dass diese Flächen überwiegend im Biosphärenreservat Niedersächsische Elbtalaue liegen und demnach weitere schützenswerte Vorgaben definiert sind.

Hierfür erscheint es ratsam, vor Ort über bestimmte und regelbare konkrete Punkte und Maßnahmen Lösungen und Absprachen zu treffen. Dabei ist durch die Politik auf Landesebene eine klare Zielvorgabe zu formulieren und dieses Ziel muss Maßnahme für Maßnahme in einem verbindlichen Verfahrensweg kompromissbereit und mit der Bereitschaft von Ermessensausübung verhandelt werden.

Die Herstellung von Vertrauen, Akzeptanz und Verlässlichkeit im Handeln muss dabei ein Leitsatz sein.

Auf Grundlage dieser beschriebenen Situation und der Darstellung der Erkenntnisse aus dem vergangenen Winterhochwasser 2023/2024 beschließt die Stadt Bleckede diese Resolution einschließlich dem daraus resultierenden 8-Punkte-Plan.

Dieser Beschluss dokumentiert einerseits die politische Einigkeit zu diesem Thema und andererseits ist diese Beschlusslage als Aufforderung sowie Angebot zur aktiven Mitarbeit zu verstehen, aber eben auch eine Verdeutlichung, dass Handeln und Maßnahmen (jetzt!) nötig sind.

Diese Beschlussfassung richtet den Auftrag an die politischen Akteure aus dem Kreistag Lüneburg und die Landtagsabgeordneten des Landtages Niedersachsen sowie an die Behördenvertreter der unteren Naturschutzbehörden (Landkreis Lüneburg, Biosphärenreservatsverwaltung Nds. Elbtalaue), Umweltministerium Niedersachsen und das NLWKN und die örtlichen Deich- und Unterhaltungsverbände.

1. Die binnenseitigen Gewässer zweiter und dritter Ordnung sind technische Entwässerungen, die auch einen besonderen Wert als Lebensraumtyp haben. Es werden verbindliche und nachvollziehbare Kriterien gemeinsam erstellt, die eine vollständige und auf die bestehende Grabengröße bezogenes Freihalten bei bestimmten Wasserständen unverzüglich gewährleistet.

2. Der Auenstrukturplan stellt folgendes dar: Es konnten in einem interdisziplinären Prozess 18 Standorte identifiziert werden, an denen Gehölzrückschnitte sinnvoll, effizient und aus ökologischer Sicht vertretbar sind. In der Summe kann durch Gehölzrückschnitt über alle Standorte hinweg eine Wasserspiegelabsenkung von bis zu 26 cm stromoberhalb erreicht werden. Dieser Plan ist in Kraft gesetzt und ist zeitgerecht einer tatsächlichen Umsetzung zuzuführen.

3. Politische Vertreter/innen setzen sich dafür ein, dass Flächen- und Punkte-Pools erarbeitet werden, damit die Kohärenzerfordernisse aus Deichanpassungs- oder Deichneubaumaßnahmen nicht ausschließlich unmittelbar vor Ort auf landwirtschaftlichen Flächen erfolgt. Dabei ist u. U. auch die Zahlung von Ersatzgeldern möglich zu machen. Die Einbindung der Naturschutzstiftung des Landkreises Lüneburg erscheint sinnvoll.

4. Es wird anerkannt, dass die Elbanrainer-Gemeinden einen höheren Kostenaufwand bei passivem Hochwasserschutz haben. Die Vorhaltung von technisch-organisatorischer Infrastruktur, die Fortbildung und das Vorhalten von Mitarbeitern sowie die Ausstattung der Feuerwehren mit besonderem Gerät und Infrastruktur zieht weitere Kosten nach sich, die eine besondere finanzielle Unterstützung durch Landkreis und Land bedürfen.

5. Bei Neufestlegung/ Anpassung von Schutzgebietsteilen der Biosphärenreservatsverwaltung sind Hochwasserschutzanlagen und Deichlinien möglichst aus einer C-Gebietsbewertung herauszuhalten.

6. Pflegemaßnahmen an technischen Hochwasserschutzanlagen müssen ganzjährig möglich sein und die konkurrierenden Interessen von Naturschutz und Tourismus haben dahinter zurückzustehen.

7. Jedwede passive oder aktive Hochwasserschutzmaßnahme kostet Geld. Das Land ist sich bewusst und setzt sich dafür ein, dass regelmäßig und verhältnismäßig ausreichend finanzielle Mittel für die gesamte Region zur Verfügung gestellt wird.

8. Die Verfahren zur Umsetzung von passivem und aktivem Hochwasserschutz muss schneller gehen. Dazu sollen örtliche Akteure und Genehmigungsbehörden in lösungsorientierten Formaten gemeinsam Wege erarbeiten, um Zielkonflikte Hochwasserschutz und Naturschutz mit einem Kompromissvorschlag aufzulösen.

Alternativ kann die Resolution "Hochwasserschutz und Naturschutz - warum nicht gemeinsam?" hier herunter geladen werden (PDF-Datei)